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WUNDER und WUNDERSUCHT Was bleibt vom Glauben, wenn das Wunder ausbleibt?
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Der Versuch einer Definition Gerade Menschen in Not oder Krankheit sehnen sich oft nach der Verbesserung ihrer Situation durch ein Wunder. Wie werden ihre Gebete erhört? Warum scheint es oft so, daß sie nicht erhört werden? Ein Beispiel: In den letzten Kriegstagen des 2. Weltkriegs wurde auf der Ostsee die "Gustlow", ein Flüchtlingsschiff mit mehreren tausend deutschen Flüchtlingen, von englischen U-Booten beschossen, weil vermutet wurde, daß auf dem Schiff auch Tonnen von Munition befördert wurde. Während das Schiff langsam unterging, waren – wie die wenigen Überlebenden berichteten – neben den verzweifelten Schreien von Müttern, die nach ihren Kindern riefen oder umgekehrt, auch unzählige Gebete zu hören. Warum wurden nur so wenige gerettet, vielleicht sogar solche, die nicht einmal gebetet und ein christliches Leben geführt haben? – Immer wieder suchen aber auch Menschen ohne konkrete Notsituation nach Wundern, z. B. an vermeintlichen Erscheinungsorten, als letzten Beweis für die Richtigkeit ihres Glaubens bzw. ihrer Hoffnung, oder weil sie glauben, nur so Gottes Nähe und Wirklichkeit spüren zu können. Das Wunder aber bleibt häufig eher aus, als daß es geschieht... Stellen wir uns zunächst die Frage, was wir überhaupt unter einem "Wunder" verstehen können, bevor wir den Fragen nachgehen, wo und wie uns im Glaubensalltag Wunder begegnen. Es gibt verschiedene Zugänge sich dem Themenbereich der Wunder zu nähern:
zu 1: Das Neue-Duden-Lexikon aus dem Jahr 1984 definiert den Begriff "Wunder" wie folgt: "Wunder, ein Staunen oder Furcht erregendes Geschehen, das von Gläubigen vieler Religionen als Machtbezeugung, [Vor]zeichen, Strafe oder Wohltat der Gottheit (der Gottheiten) gedeutet wird. Nach ev. Auffassung setzt das Erlebnis des Wunders den Glauben voraus. Nach kath. Lehre ist das Wunder ein mit den Sinnen wahrnehmbarer, die Naturgesetze durchbrechender Vorgang." Inwieweit diese Definition – besonders in ihrer theologischen Deutung – nun stimmt, werden wir später noch überlegen müssen. Tatsache aber ist, daß diese Definition das Verständnis der meisten Menschen treffen würde. zu 2: Anfang der 60-ger Jahre ereignete sich in Lengede ein schweres Grubenunglück, bei dem viele Bergleute über Tage hinweg in einem abgelegenen Stollen eingeschlossen waren. Noch vor dem Krieg hätte man wegen fehlender Technologie kaum noch Hoffnung für die Eingeschlossenen gehabt. Jetzt aber war nicht nur der Wille zur Rettung der Verunglückten da sondern auch die entsprechende Technik, zunächst einen Versorgungsschacht und später einen Rettungsschacht in den Stollen zu bohren, ohne die Bergleute zu gefährden. Man war derart von einem guten Ausgang der Rettungsaktion überzeugt, daß diese damals life im Fernsehen übertragen wurde. Diese Rettungsaktion wurde damals von der Presse und den Medien als das "Wunder von Lengede" beschrieben – obwohl eigentlich wirklich nichts Unerklärliches dort geschah, obwohl es unter den Bergleuten auch Opfer gegeben hat, die die Rettung nicht mehr erlebten, und obwohl die gesamte Rettungsaktion eigentlich doch der sorgfältigen Planung und dem unermüdlichen Einsatz der an der Rettungsaktion beteiligten Ingenieure und Helfer zu verdanken ist. Ein anderes Beispiel aus der Nachkriegszeit ist das vielgepriesene "Wirtschaftswunder" von dem der Vater, der damalige Wirtschaftsminister und spätere Bundeskanzler Ludwig Erhard, an seinem 80. Geburtstag sagte, es sei alles andere als ein Wunder gewesen sondern die Frucht harter Denk- und Planungsarbeit und das Ergebnis zäher Verhandlungen mit Arbeitgebern, Arbeitnehmern und den damaligen Siegermächten. Interessant ist sicher auch die Feststellung, daß – je bunter die Boulevard-Presse – desto häufiger auch die Berichte über vermeintliche Wunder sind. Da wird berichtet über Unfälle, die ein Beteiligter wie durch ein Wunder überlebt, über Operationen, deren Gelingen als Wundertat des Arztes dargestellt werden, und natürlich immer wieder die Berichte über wundersame Erscheinungen vornehmlich der Muttergottes, die auf Fotografien, in Rosenblüten und Dornbüschen oder erst kürzlich wieder (war es in Amerika?) auf der Rückseite von Verkehrsschildern erschienen sein soll. Interessant ist ferner, daß heute die religiöse Deutung unerklärlicher Ereignisse immer mehr abgelöst wird durch den Glauben an außerirdische Wesen, die tagtäglich in unseren Lebensalltag eingreifen sollen, aus welchen Gründen auch immer. Kinder, die unbeaufsichtigt und unbegleitet diese – teilweise fast dokumentarisch aufgemachten – Sendungen im Fernsehen sehen, werden quasi groß mit der Vorstellung, daß es diese Wesen tatsächlich gibt und sie verantwortlich sind für alles, was uns die Wissenschaft bislang nicht erklären kann. Wenn sich aber die Wissenschaft mit dieser Erklärung zufrieden geben würde, dann würde es keine neuen Erkenntnisse geben, so wie wenn die Wissenschaft bei jedem Wunder stehen geblieben wäre und sich mit der Erklärung des wundersamen Eingreifens Gottes zufrieden gegeben hätte. Viele Ereignisse, die früher als Wunder gedeutet wurden, sind nach heutigem Wissen als ganz natürliche Vorgänge zu erklären. Wir würden heute noch die Pest als Strafe Gottes betrachten und die Krankheitserreger dieser Geisel der Menschheit wären bis heute noch nicht entdeckt, hätte die Wissenschaft nicht geforscht und versucht sondern sich darauf beschränkt, die Menschen nur auf ein Wunder zu vertrösten. zu 3: Aufschlußreich ist nun sicher die Frage, wie häufig der Begriff oder das Wort "Wunder" in der Bibel, der grundlegenden Bekenntnisschrift der Christenheit, vorkommt. Die Zahl variiert natürlich von der verwendeten Bibelübersetzung und hängt auch davon ab, ob man die entsprechenden Adjektive (wie: wunderbar) oder Wortzusammensetzungen (wie: Wunderkraft) mit berücksichtigt oder nicht... Wenn man aber das Ergebnis betrachtet, kann man diese Überlegungen getrost außer Acht lassen, so eindeutig ist das Ergebnis: Nach der Wortkonkordanz des "Praktischen Bibelhandbuchs" des Katholischen Bibelwerks Stuttgart aus dem Jahr 1968 kommt das Wort "Wunder" bzw. "Wundertat" 17 mal im Alten Testament und 36 mal im Neuen Testament vor, wobei die Parallelstellen in den vier Evangelien hier natürlich nicht mitgezählt wurden. Mancher wird sich hier also sicher wundern, denn meist vermutet man, daß in der Bibel häufiger von Wundern die Rede sein müßte. Denn unser Religionsunterricht hat über Jahrhunderte hinweg immer mit Vorliebe von den Wundern gesprochen aber kaum davon, welche Bedeutung diese Wunderberichte in der Absicht der biblischen Verfasser eigentlich haben. Wunder als Belohnung sozusagen... Das Johannesevangelium macht bei der Übernahme von Wundererzählungen seine katechetische Absicht dadurch etwas deutlicher, daß es einen anderen Ausdruck verwendet: So heißt es beim – wie wir sagen – "Weinwunder" der Hochzeit von Kana zum Beispiel: "So tat Jesus sein erstes Zeichen in Kana in Galiläa, und offenbarte seine Herrlichkeit, und seine Jünger glaubten an ihn." (Joh 2,11) Wenn wir also den Begriff "Wunder" biblisch deuten wollen, dann geht es in der ersten Linie gar nicht um das wundersame Ereignis an sich; das ist eigentlich fast Nebensache. Es geht vielmehr um Geschehnisse die dem Menschen etwas von der Absicht Gottes, vom Heilswillen Gottes "zeigen." Das Zeichen der plötzlichen Weinvermehrung will also nicht sagen, daß Gott immer dort einspringen wird, wo Menschen mit ihrem Latein am Ende sind, sondern es sagt etwas aus über den, der dieses Zeichen tut: Die Menschen sollen erkennen, daß dieser Jesus der Gesandte Gottes ist, der Heiland, der Messias. Einmal gesetzt ruft dieses Zeichen immer wieder zur Entscheidung und muß nicht ständig neu wiederholt werden.
Wunder im kirchlich-alltäglichen Sprachgebrauch Wenn im kirchlichen Bereich (von den Gläubigen und auch von vielen Priestern) von Wundern gesprochen wird, dann meist nicht mit wissenschaftlicher Qualität sondern eher mit viel Emotion und der Suche nach Rechtgläubigkeit. Es würde den Rahmen eines Abends sprengen, die Erklärung zu versuchen, warum Wunder für viele Gläubige viel wichtiger sind und einen völlig anderen Stellenwert haben als für die Theologie und die Theologen. Interessant aber ist die Beobachtung – z. B. in Fernsehdiskussionen über dieses Thema – daß die Zahl der Theologen, die die Historizität der meisten in der Bibel überlieferten Wunder bestreiten, offenbar steigt. Und das von der simplen Feststellung her, daß viele Dinge, die früher nicht erklärbar waren, heute erklärt werden können. Niemand wird heute z. B. noch ernsthaft sagen: "Gott schimpft..." wenn wir den Donner eines Gewitters hören. Wir kennen um den Zusammenhang der in den verschiedenen Luftschichten sich entladenden Spannungen. Und wenn jemand uns heute mit der alten bis in unser Jahrhundert überlieferten Redeart käme und darauf bestände, daß Gott im Gewitter zu uns Menschen spräche, dann würden wir nicht wenig schmunzeln. Dementsprechend können wir dann den Blitzeinschlag in ein Haus oder eine Scheune eigentlich auch nicht mehr als Strafe Gottes bezeichnen. Zumal das immer schon schwierig war. Denn Blitze trafen auch die Häuser der Gerechten, und wenn so etwas passierte half man sich mit der Deutung, daß in der betroffenen Familie wohl ganz bestimmt eine der Öffentlichkeit nicht bekannte Sünde herrsche. Damit wurde die ganze Sache sehr schnell auch lieblos. Zumal Jesus diese Dinge ganz nüchtern sieht wenn er sagt: "Gott läßt regnen über Gute und Böse und seine Sonne scheinen über Gerechte und Ungerechte. Wenn wir uns dann die wissenschaftlichen Hintergründe eines Gewitters klar machen, dann müßte nun aber auch jedem klar sein, daß ein Gebet um die Verschonung vor einem Blitzeinschlag – wie es noch in meiner Kindheit üblich war – zumindest recht fragwürdig ist. Und erst recht besteht kein Zusammenhang zwischen einem Blitzeinschlag und der Tatsache, ob nun eine Familie während eines Gewitters weitergegessen hat oder die Mahlzeit unterbrach und eine schwarze Gewitterkerze anzündete. Aber, so schreibt dazu der Theologe Josef Haunauer in seinem Buch "Wunder oder Wundersucht?": "Der Fortschritt auf wissenschaftlichem Gebiet führt offenbar nicht dazu, daß die Menschen fähig werden, kritischer zu denken und zu urteilen. Leichtgläubigkeit und Kritiklosigkeit sind in unserer Zeit nicht weniger verbreitet als früher. Diese Feststellung gilt für den profanen so gut wie für den religiösen Bereich. Wir brauchen bloß an die Vielzahl der Formen des Aberglaubens zu denken. Auf religiösem Gebiet ist die Flut angeblich übernatürlicher Offenbarungen, die sich über die Menschheit ergießt, nicht mehr zu übersehen. Eine ganze Palette von Wunderphänomenen bietet sich dar: Statuen bewegen sich in ihren Nischen; himmlische Gestalten schweben über Bäumen; der Teufel verfolgt nächtlicherweise fromme Seelen; neue Offenbarungen, deren Inhalt häufig aus Drohbotschaften besteht, werden empfangen; Bilder weinen; Maria erscheint Kindern, denen sie Geheimnisse anvertraut, die sie nicht verraten dürfen; die Erscheinungen werden durch angebliche Wunder, namentlich durch Krankenheilungen, als echt bewiesen. Die Häufung »wunderbarer« Ereignisse und der Glaube daran mag vielleicht Ausdruck einer rein natürlichen Frömmigkeit sein. Doch mögen noch so viel Christen sich solchen Dingen gläubig oder sogar fanatisch zuwenden, Beweise christlicher Frömmigkeit sind sie nicht. Sie nützen nicht dem christlichen Glauben, sondern sie liefern jenen Material, die im Christentum, insbesondere in der katholischen Religion, Reste und Nachwirkungen heidnischen Aberglaubens zu finden glauben. Natürlich erweisen sich »wunderbare Erscheinungen« auch als Nützlich, aber nicht für den christlichen Glauben, sondern für manche "Gläubige", namentlich an Erscheinungsorten, und für die Verlage, die sich auf die Veröffentlichung von Wundermären aller Art spezialisiert haben und die sich um den Absatz ihrer Ware nicht zu sorgen brauchen.« (S. 7f)
Die Häufung von Marienerscheinungen in den letzten 200 Jahren Ungefähr seit Beginn des 19. Jahrhunderts hat die Marienverehrung einen großen Auftrieb erhalten. Dabei fällt auf, daß die biblische Begründung stark in den Hintergrund getreten ist; den eigentlichen Anstoß bilden fast nur mehr die sich häufenden »Marienerscheinungen«. Besonders häufig sind solche im 20. Jahrhundert geworden. Zwischen 1930 und 1950 sind allein in Westeuropa von kirchlichen Behörden nicht weniger als 30 Reihen von Muttergotteserscheinungen mit insgesamt etwa 300 Einzelerscheinungen, die Kindern zuteil geworden sein sollen, untersucht worden. Um 1975 hat ein Sekretär der Päpstlichen Kurie gesagt: »Es gibt 200 fast ausschließlich weibliche Visionäre in Italien, die behaupten, die Madonna zu sehen und Botschaften zu empfangen. Wo kämen wir hin, wenn wir sie alle ernst nähmen«. Wo liegt der tiefere Grund für die in unserem Jahrhundert sich häufenden Marienerscheinungen? Sie sind nichts anderes als Folge und Ausdruck eines marianischen Tropenklimas, wie es in Südamerika schon lange zu beobachten ist. Prälat Straubinger hat aufgrund eigener Erfahrung im Jahre 1937 seinem Freund Otto Karrer über die Auswüchse der Marienverehrung berichtet: »Ganz verheerend sind die Erscheinungen. Während im Mittelalter und bis zu Margareta Alacoque Jesus erschien, erscheint jetzt fast nur noch die Muttergottes, und zwar in einer derart aufdringlichen Weise, daß sie für sich neue Kirchenbauten und neue Ehren verlangt und dem Papst durch Kinder Botschaften schickt. Das ist verdächtig. Eine heilige Person verlangt doch nicht Ehren für sich. Ich glaube daher, daß die Muttergotteserscheinungen, die jetzt so großes Furore machen, nicht von der Muttergottes und nicht von Gott sind, schon deshalb, weil sie typische Schauwunder sind. Ich kann mir nur denken, daß das Ziel dabei die Zurückdrängung des Glaubens an Christus ist. Maria soll im Volk so erhöht werden, daß Christus immer mehr in den Hintergrund tritt und aus der Christusreligion eine Marienreligion wird! Das ist weitgehend erreicht, wie ich in Südamerika gesehen habe. Dort macht Maria alles, aber auch alles. Sie ist dort allmächtig im vollsten Sinne des Wortes. Gott hat alle Macht an sie abgetreten, und Christus existiert für viele nur noch in der Hostie«. (J. Haunauer S. 85f) Ein kritischer Blick selbst auf kirchlich anerkannte Erscheinungsorte und Wunderberichte scheint diese Vermutung zu unterstützen.
Einige Thesen zum weiteren Bedenken 1. These: Gott sah, daß es gut war...
2. These: Was gut ist kann nicht verbessert werden...
3. These: Das Wunder durchbricht nicht die Naturgesetze
4. These: Ich muß mich auf die Zuverlässigkeit der Naturgesetze verlassen können...
5. These: Gott will Heil durch Menschen wirken
5. These: Krankheiten, Katastrophen, Unglücksfälle sind keine Strafe Gottes; Heilung ist keine Belohnung für treuen Glauben. 6. These: "Wie mich der Vater gesandt hat, so sende ich euch!"
7. These: Es geschehen auch heute noch Wunder, die von der Bibel als echt bezeugt werden:
Was bedeutet das für mein Beten? Wenn ich Wunder und Wundererwartungen im besprochenen Sinn verstehe bedeutet das für mein Beten, was mir das Vater-Unsers vorgibt, jenes Gebet, daß Jesus den Jüngern als das Gebet schechthin hinterlassen hat. Mein Beten und Tun soll:
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(C) 2002 Heribert Ester |
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