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MIT CHRISTUS AUFERSTEHEN

Gedanken zur Kar- und Osterliturgie

Das ist der Tag, den Gott gemacht,
der Freud in alle Welt gebracht.
Es freu' sich, was sich freuen kann,
denn Wunder hat der Herr getan.                       GL 220,1


1. Satzungen oder Feier ?

An den Ortseingängen finden sich oft Hinweisschilder der Kirchengemeinden: Heilige Messe - die und die Urhezeit... Die Hinweischilder der evangelischen Gemeinden unterscheiden sich dabei nicht nur durch die Farbe sondern auch durch die Aufschrift: Gottesdienst...
Ist denn die Messe kein Gottesdienst, könnte man da fragen.
Vor zwanzig Jahren - und bisweilen auch noch bis heute zu finden - war die Ausdrucksweise noch undurchschaulicher: da gab es die »Stille Messe«, die »Bet-Sing-Messe«, das »Hochamt«, die Andachten, und wenn es das Leben forderte, wurde die Sakramente »gespendet«.
Und die Bücher, in denen man die Texte dazu fand, waren das Meßbuch, die Andachtsbücher und das Rituale, in dem die übrigen Riten (was soviel heißt wie: Satzungen) standen.
Die Texte waren lateinisch und von daher den anwesenden Kirchgängern weitgehend unbekannt.
Bezüglich der Messe sprach man davon, daß der Priester die Messe liest - leider hat sich diese Ausdrucksweise noch bis heute durchgehalten -, und daß die Gläubigen die Messe hörten.

 

2. Das Zweite Vatikanische Konzil

Angesichts eines solchen Befundes war es kein Wunder, daß die zum Konzil in Rom versammelten Bischöfe 1963 als erstes Dokument des Zweiten Vatikanischen Konzils die KONSTITUTION ÜBER DIE HEILIGE LITURGIE verabschiedeten.

Schauen wir uns heute die liturgischen Bücher an, dann fällt zunächst einmal auf, daß sie in der Muttersprache abgefaßt sind. Und schauen wir auf die Titel, sehen wir auch hier ein freundlicheres Bild. Es geht nicht mehr um Satzungen, sondern es heißt so, wie es sein soll:
Die FEIER der Taufe; Die FEIER der Firmung; Die FEIER der Gemeindemesse, u.s.w.

Das heißt: Das Volk Gottes kommt zusammen, nicht um vom Priester einen Ritus vollziehen zu lassen, sondern um - wie es seit ältesten Zeiten bei den Christen der Brauch war - die Gegenwart Gottes zu feiern.

Gott ist gegenwärtig in den verschiedenen Bedingungen und Zeiten des menschlichen Lebens. Das ist nicht Grund, Satzungen zu befolgen - das ist Grund zu feiern, fröhlich zu sein.

Unsere Evangelischen Mitchristen sprechen hier von Gottesdienst. Der Gedanke der Feier kommt auch hier etwas kurz, aber ein anderer Gedanke kommt bei diesem Wort zum Ausdruck, der Gedanke des Dienstes: Gott tut an uns Menschen einen Dienst - er will unser Diener sein.

 

3. Gottes Dienst an uns Menschen

 

Wenn wir uns zu einer Taufe versammeln, dann feiern wir Gottes Dienst an diesem konkreten Menschen, den er als seinen Sohn, als seine Tochter annehmen will.
Im Sakrament der Versöhnung feiern wir den Dienst, den Gott an uns tut, wenn er uns stets neu mit sich versöhnt.
Im Sakrament der Firmung feiern wir Gottes Dienst, weil er uns stark macht mit seinem Heiligen Geist, damit wir Zeugnis geben können von seinem Dienst und seiner Liebe.
Wenn zwei Menschen sich das Sakrament der Ehe spenden, finden wir in diesem Geschehen Gottes Dienst an diesen zwei Menschen, deren Liebe er durch das Beispiel seiner Liebe festigen will, bis der Tod sie scheidet.
Wenn die Kirche Menschen sendet und zu Diakonen, Priestern und Bischöfen bestellt, feiern wir den Dienst Gottes an seinem Volk, das nie ohne Hirten sein soll.
Wenn wir die Krankensalbung feiern, dann feiern wir den Dienst, den Gott an den Kranken tut durch die Stärkung des Geistes und des Leibes.
Schließlich feiern wir Gottes Dienst an uns Menschen in der gegenwart seines Sohnes in Brot und Wein.

Im Grunde feiern wir diesen seinen Dienst immer dann, wenn wir in seinem Namen versammelt sind.

 

4. Kar- und Osterliturgie als Gottes Dienst

In diesem Sinn dürfen wir auch die Feier der Kar- und Osterliturgie verstehen, und sie erleben als Gottes Dienst an uns Menschen.

wenn wir es so sehen, dann ist zum Beispiel die »Liturgie vom Leiden und Sterben des Herrn« am Karfreitag nicht mehr nur »keine richtige Messe«, wie man es oft hört; sie ist überhaupt keine Messe, und doch ist sie der höchste Gottesdienst, den die Kirche überhaupt feiern kann. Denn: Welchen größeren Dienst könnte Gott an uns tun, als daß er seinen Sohn unserem Tod übergibt, unseren Tod sterben läßt.

Es ist wichtig, daß wir uns klar machen: Nicht wir spielen am Gründonnerstag, am Karfreitag und in der Osternacht entsprechend den Riten Gott etwas Frommes vor, sondern:

Gott handelt in diesen Feiern an uns,

  • wenn er uns bei der Abendmahlsfeier am Gründonnerstag mit seinem Sohn vereinigt,

  • damit wir am Karfreitag mit ihm sterben,

  • um am Morgen des ersten Ostertages mit ihm auferweckt zu werden zu einem neuen Leben.

 

5. Das Hauptfest des Jahres  1

Den Kirchenbesucherzahlen nach zu urteilen sind immer noch Weihnachten und Karfreitag die Hauptfeste des sogenannten Kirchenjahrs. »Es sind also genau die Feste, die dem natürlichen Kalendarium entsprechen, die die elementaren Lebensvorgänge von der Wiege bis zur bahre symbolisieren, und gegen die die Verkündigung der Auferstehung, der Himmelfahrt und der Austeilung des Geistes als unwirkliche, analogielose Abstraktionen empfunden wird.« 2

Hier zeigt sich wieder eine im tiefsten Sinne unchristliche Denkweise: Wir nehmen unsere Erfahrungen als Maßstab. Was wir aus unseren Erfahrungen für möglich halten, das sind wir auch bereit, entsprechend in der Liturgie zu feiern, nämlich Geburt und Tod.

Aus christlicher Sicht ist hier der gleiche Fehler festzustellen, dem auch die Führer des jüdischen Volkes erlagen: Gott mit menschlichen Maßstäben zu beurteilen.
Wir sind aber von Gott gerufen, unser Leben mit seinen Maßstäben zu messen, das heißt:
Das einmalige Heilshandeln Gottes, die Auferstehung Jesu, soll unser Lebensmaßstab sein.

Nur, wer daran glaubt, wird auch die Auferstehung Jesu feiern können.

 

6. Österliche Bußzeit und Osterfestkreis  1

Die österliche Bußzeit ist keine Missionszeit, in der die letzten Reserven des christlichen Glaubens gerettet werden sollen. Das ist die Zeit im »Jahreskreis«.
Sie ist aber auch nicht die Zeit der großen Einübung in das Christentum. Das ist die Osterzeit.

Die österliche Bußzeit ist gedacht als eine Art »Gemeindekatechumenat«: In dieser Zeit soll sich der von Gott gerufene Mensch in die Heilstaten Gottes vertiefen um in der Osternacht bewußter sprechen zu können: Ich glaube!

Die Fastenzeit dauert von Aschermittwoch bis zum Beginn der Abendmahlsmesse am Donnerstag der Karwoche. Das zeigt, wie sich das Verständnis dieser Tage grundlegend gewandelt hat:
Früher wurden Karfreitag (Welt) und Ostern (Glaube/Himmel) getrennt. In der Karwoche wurde nur des Leidens und Sterbens gedacht.
Und die Auferstehung war etwas völlig Neues, hatte nichts mehr mit dem irdischen Jesus zu tun.
Konsequenterweise wurde der im ursprung fröhliche Gründonnerstag »verschoben«, es entstand das Fronleichnahmsfest, das sogar außerhalb der Osterzeit liegt.
Zur gleichen Zeit entwickelte sich auch die Kreuzwegfrömmigkeit; noch bis heute gibt es dazu in den Gebetsvorlagen keine Texte für eine Osterstation.

Aber erst Ostern macht Gründonnerstag und Karfreitag zu Tagen, die zu feiern sich lohnt. Ostern ist sozusagen die letzte Prägung eines Geldstücks. Erst durch die »Osterprägung« wird die »Mahl- und Todesmedallie« zum Angeld für unsere Erlösung. Erst dadurch werden das Letzte Abendmahl und der Tod Jesu für uns bedeutsam.

 

7. Gründonnerstag und Karfreitag:

...zwei österliche Feste

Nur von Ostern her sind die Gottesdienste am Gründonnerstag und am Karfreitag zu verstehen. Wir können uns nicht mit den Apostlen vergleichen. Wir können nicht ihre Erlebnisse an diesen Tagen nachspielen.
Aber gerade weil wir von Ostern wissen haben diese Tage für uns eine Bedeutung bekommen, die zu feiern es lohnt:

a) Die Messe vom letzten Abendmahl

Der Gründonnerstag ist uns zum Tag geworden, an dem Jesus uns die Feier schenkt, die es uns ermöglicht, immer wieder uns mit seinem Tod und seiner Auferstehung zu verbinden.
Die Fußwaschung ist ein Sinnbild für das, was das Abendmahl des Neuen Bundes sein wird: Gottes Dienst. Der Sohn Gottes, in dem Gott selbst bei den Aposteln ist, tut den niedrigsten Dienst, den ein Mensch nach damaligem Verständnis nur verrichten könnte.
Die Fußwaschung nenne ich auch gern das »vergessene Sakrament«. Wenn in der Abendmahlsfeier des Gründonnerstags der Priester die Fußwaschung vollzieht, soll sie ihm eine Mahung zur Demut sein (Ein Beispiel habe ich euch gegeben...), die Gemeinde aber soll sie daran erinnern, daß Jesus immer unter uns gegenwärtig ist, wo nach seinem Beispiel gehandelt wird.

Dieses Zeichen der Fußwaschung wird vielfach unterlassen, weil es nicht unserem Alltag entspringt. Wir kommen mit gewaschenen Füßen zur Kirche, tragen feste Schuhe und keine Sandalen, und wenn dann nur - sozusagen symbolisch - ein Fuß gewaschen wird, verliert das Zeichen auch noch die letzte Aussagekraft. Vielfach wird nach anderen Ausdrucksmöglichkeiten gesucht, in der Regel aber - meist aus Bequemlichkeit - dieses Zeichen ganz unterlassen.

b) Der Karfreitagsgottesdienst

Daß Ostern auch die Todes-Feier des Karfreitags überstrahlt, wird gleich zu Beginn des Gottesdienstes deutlich durch die Lesung aus dem Buch Jesaja, sodaß wir schon vor dem Verlesen der Passion daran erinnert werden, was den Emmaus-Jüngern erst nach Ostern deutlich wurde: »Mußte der Menschensohn nicht all das erleiden, damit die Schrift erfüllt wurde...«
Die folgende Lesung aus dem Hebräerbrief ist sozusagen der nachösterliche Beweis für die Wahrheit des Prophetenwortes. Hier zeigt sich, wie gefährlich es ist, wenn eine dieser Lesungen weggelassen wird, damit - wie man meint - der Gottesdienst nicht zu lang wird.
Ein weiteres österliches Zeichen ist die Kreuzverehrung: »Seht das Kreuz, an dem der Herr gehangen, das Heil der Welt! Kommt, lasset uns anbeten!«
Wie könnten wir einen gekreuzigten Jesus anbeten, wenn wir durch seine Auferstehung nicht wüßten, daß er der Sohn Gottes ist? Aus welchem Grund dürften wir vor ihm die Knie beugen wie sonst nur vor dem Allerheiligsten.

8: Der Karsamstag

Der Tag der Grabesruhe blieb von Anfang an ohne eigene Liturgiefeier. Lediglich die mönchiche Stundenliturgie wird an diesem Tag gebet.

Heute allerdings wird in vielen Gemeinden in den Abendstunden dieses »Tages der Grabesruhe Jesu« die Auferstehungsfeier in Gestalt einer erweiterten "Vorabendmesse" gefeiert.
Wie kam es zu solch einer Praxis? Wollen wir möglichst schnell den Tod Jesu wieder aus der Welt schaffen?
»Jesu realer Tod wird [aber gerade] unterstrichen durch die Erwähnung des Begräbnisses. Die Verlorenheit und die weltliche Schande treten dadurch deutlicher hervor. Die Ohnmacht und die Erniedrigung steigern sich, indem von der Auferstehung am dritten Tag die Rede ist: Jesus ist wirklich in die letzte und äußerste Not gekommen und scheint aller Hilfe zu entbehren... Isaak brauchte nicht geopfert zu werden; ...Gott aber hat seinen Sohn nicht geschont und ihn bis zum schändlichen Tod hingegeben.« 3

Am Karsamstag soll die Leere deutlich werden, die durch den Tod Jesu entstand. Selbst eine Kreuzwegandacht wäre hier Fehl am Platze. Wir sollten diese Leere aushalten und nicht gleich in die Zukunft springen.

Liturgie dient dem Heute.

 

9: Mit Christus auferstanden: Die Feier der Osternacht  1

In der Feier der Osternacht ist das gesamte Kirchenjahr - oder noch besser: unser Glaubens-Jahr - zusammengefaßt wie in unter einem Brennglas.
Was in der Feier der Osternacht geschieht, ist in keinem anderen Lied so deutlich ausgedrückt wie in der neufassung des Liedes »Das ist der Tag, den Gott gemacht« (GL 220).
In diesem Lied besingen wir Jesu Auferstehung, die auch uns schon heute betrifft.
Die Strophen des Liedes haben die gleiche Struktur wie die Osternachtsfeier:

  • In der ersten Strophe wird gesagt, daß Gott Großes getan hat; ein Zeichen dafür ist die Freude der ganzen Schöpfung. - Das ist das Exultet.

  • In der zweiten Strophe wird der Grund dieser Freude verkündet. - Das ist der Wortgottesdienst.

  • Die dritte Strophe sagt, wie dieses Heil uns heutige Menschen erreicht hat. - Dem entspricht die Tauffeier.

  • Die vierte Strophe zeigt, daß das Leben des mit Christus auferweckten Menschen von dieser Heilstat Gottes geprägt ist. - Das geschieht in der Eucharistiefeier.

  • Aufgrund des Erfahrenen Heils kann der Mensch nicht schweigen und fordert alle auf, in seinen Lob und Dank mit einzustimmen. - Dies zeigt sich in der Art, wie wir den Ostertag begehen.

Der beste Zeitpunkt für eine Erlebnisreiche Auferstehungsfeier ist der frühe Morgen. Die Feier sollte in der Dunkelheit beginnen und im hellen Licht des neuen Tages enden. Nur Kerzenlicht sollte sich mit dem Licht des beginnenden Tages mischen (Elektrisches Licht würde lediglich ein Zeichen dafür sein, daß der Mensch in begrenztem Maße sich selbst helfen kann).

  • Wie die Frauen in aller Frühe zum Grab gingen, so stehen auch wir in der Dunkelheit dieser Welt auf, um zu Jesus zu gehen. Und dort geht uns ein Licht auf!

  • Gott läßt Feuer aus dem Stein sprühen, »damit wir im Dunkel der Nacht nicht auf Wärme und Licht verzichten müssen. 4
    An diesem Feuer wird die Osterkerze entzündet.
    Sie ist das Zeichen der Gegenwart Christi. Er leuchtet uns heim wie die »leuchtende Feuer- und Wolkensäule, die dem Volk auf dem Zug durch das Rote Meer in die Heimat voranzog.« 5
    Was Paulus den Ephesern schreibt, das tun wir in dieser Nacht: Wir stehen auf, damit Christus unser Licht wird.

  • Einem Weckruf gleicht deshalb das »Lumen Christi«. Mit kräftiger Stimme ruft der Diakon oder der Priester diesen ersten Satz allen zu: Seht Christus, das Licht! Bei diesem Satz kann man ruhig erschrecken, wie die Frauen am Grab. Alle (nicht nur der Chor) antworten: Dank sei Gott.

  • Dieser dreimalige Wechselruf ist schon eine in sich geschlossene Liturgie: Christus wird verkündet als der, der für uns das Licht in der Dunkelheit geworden ist, das Licht, das nie verlöscht. Und alle danken für diese Heilstat Gott an uns.

  • So wie wir sonst im Kyrie der Messe den Auferstandenen Christus in unserer Mitte begrüßen, so grüßen wir in dieser Nacht mit diesem Wechselruf Christus als unser Licht.

  • Und wir werden gleich »Feuer und Flamme«, wir empfangen von ihm das Licht und geben es weiter. So wird die Kirche zu Gottes Haus aus lebendigem Licht.

  • In der Lichtfeier kommt Christus im Zeichen des Lichts in unsere Dunkelheit.

  • Im Wortgottesdienst spricht er im Evangelium zu uns, um uns einzuladen, ihm zu folgen.

  • In der Tauffeier oder in der Feier des Taufgedächtnisses werden wir hineingenommen in seinen Tod und seine Auferstehung und ihm gleichgestaltet.

  • In der Eucharistie wird er auch für unsere Sinne faßbar in Brot und Wein. Wir begegnen ihm mit Leib und Seele, schauend und glaubend.

  • Am Ende des Gottesdienstes werden wir mit dem Frieden Gottes gesandt, das Halleluja zu verkünden, auch im Leben Gottes große Tat, seinen Dienst an uns Menschen zu verkünden und zu bezeugen.

(C) 2002 Heribert Ester


1  nach: Norbert Wieh, Auferstehung erleben
2  H.J. Schulz, Die Macht des Ohnmächtigen, 42
3  Karl Lehmann, Auferweckt am dritten Tag..., 334
4  Rupert Berger, Gehalt und Gestalt der Osternacht, 41
5  dto.


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