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1. Satzungen oder Feier ?
An den Ortseingängen finden sich oft Hinweisschilder der
Kirchengemeinden: Heilige Messe - die und die Urhezeit... Die Hinweischilder der evangelischen Gemeinden unterscheiden
sich dabei nicht nur durch die Farbe sondern auch durch die Aufschrift:
Gottesdienst...
Ist denn die Messe kein Gottesdienst, könnte man da fragen.
Vor zwanzig Jahren - und bisweilen auch noch bis heute zu
finden - war die Ausdrucksweise noch undurchschaulicher: da gab es die »Stille
Messe«, die »Bet-Sing-Messe«, das »Hochamt«, die Andachten, und wenn es das
Leben forderte, wurde die Sakramente »gespendet«.
Und die Bücher, in denen man die Texte dazu fand, waren das
Meßbuch, die Andachtsbücher und das Rituale, in dem die übrigen Riten (was
soviel heißt wie: Satzungen) standen.
Die Texte waren lateinisch und von daher den anwesenden
Kirchgängern weitgehend unbekannt.
Bezüglich der Messe sprach man davon, daß der Priester die
Messe liest - leider hat sich diese Ausdrucksweise noch bis heute durchgehalten
-, und daß die Gläubigen die Messe hörten.
2. Das Zweite Vatikanische Konzil
Angesichts eines solchen Befundes war es kein Wunder, daß
die zum Konzil in Rom versammelten Bischöfe 1963 als erstes Dokument des
Zweiten Vatikanischen Konzils die KONSTITUTION ÜBER DIE HEILIGE LITURGIE
verabschiedeten.
Schauen wir uns heute die liturgischen Bücher an, dann
fällt zunächst einmal auf, daß sie in der Muttersprache abgefaßt sind. Und
schauen wir auf die Titel, sehen wir auch hier ein freundlicheres Bild. Es geht
nicht mehr um Satzungen, sondern es heißt so, wie es sein soll:
Die FEIER der Taufe; Die FEIER der Firmung; Die FEIER der
Gemeindemesse, u.s.w.
Das heißt: Das Volk Gottes kommt zusammen, nicht um vom
Priester einen Ritus vollziehen zu lassen, sondern um - wie es seit ältesten
Zeiten bei den Christen der Brauch war - die Gegenwart Gottes zu feiern.
Gott ist gegenwärtig in den verschiedenen Bedingungen und
Zeiten des menschlichen Lebens. Das ist nicht Grund, Satzungen zu befolgen - das ist Grund zu
feiern, fröhlich zu sein.
Unsere Evangelischen Mitchristen sprechen hier von
Gottesdienst. Der Gedanke der Feier kommt auch hier etwas kurz, aber ein anderer
Gedanke kommt bei diesem Wort zum Ausdruck, der Gedanke des Dienstes: Gott tut
an uns Menschen einen Dienst - er will unser Diener sein.
3. Gottes Dienst an uns Menschen
Wenn wir uns zu einer Taufe versammeln, dann feiern wir
Gottes Dienst an diesem konkreten Menschen, den er als seinen Sohn, als seine
Tochter annehmen will.
Im Sakrament der Versöhnung feiern wir den Dienst, den Gott
an uns tut, wenn er uns stets neu mit sich versöhnt.
Im Sakrament der Firmung feiern wir Gottes Dienst, weil er
uns stark macht mit seinem Heiligen Geist, damit wir Zeugnis geben können von
seinem Dienst und seiner Liebe.
Wenn zwei Menschen sich das Sakrament der Ehe spenden, finden
wir in diesem Geschehen Gottes Dienst an diesen zwei Menschen, deren Liebe er
durch das Beispiel seiner Liebe festigen will, bis der Tod sie scheidet.
Wenn die Kirche Menschen sendet und zu Diakonen, Priestern
und Bischöfen bestellt, feiern wir den Dienst Gottes an seinem Volk, das nie
ohne Hirten sein soll.
Wenn wir die Krankensalbung feiern, dann feiern wir den
Dienst, den Gott an den Kranken tut durch die Stärkung des Geistes und des
Leibes.
Schließlich feiern wir Gottes Dienst an uns Menschen in der
gegenwart seines Sohnes in Brot und Wein.
Im Grunde feiern wir diesen seinen Dienst immer dann, wenn
wir in seinem Namen versammelt sind.
4. Kar- und Osterliturgie als Gottes Dienst
In diesem Sinn dürfen wir auch die Feier der
Kar- und
Osterliturgie verstehen, und sie erleben als Gottes Dienst an uns Menschen.
wenn wir es so sehen, dann ist zum Beispiel die »Liturgie
vom Leiden und Sterben des Herrn« am Karfreitag nicht mehr nur »keine richtige
Messe«, wie man es oft hört; sie ist überhaupt keine Messe, und doch ist sie
der höchste Gottesdienst, den die Kirche überhaupt feiern kann. Denn: Welchen
größeren Dienst könnte Gott an uns tun, als daß er seinen Sohn unserem Tod
übergibt, unseren Tod sterben läßt.
Es ist wichtig, daß wir uns klar machen: Nicht wir spielen
am Gründonnerstag, am Karfreitag und in der Osternacht entsprechend den Riten
Gott etwas Frommes vor, sondern:
Gott handelt in diesen Feiern an uns,
-
wenn er uns bei der Abendmahlsfeier am Gründonnerstag mit
seinem Sohn vereinigt,
-
damit wir am Karfreitag mit ihm sterben,
-
um am Morgen des ersten Ostertages mit ihm auferweckt zu
werden zu einem neuen Leben.
5. Das Hauptfest des Jahres 1
Den Kirchenbesucherzahlen nach zu urteilen sind immer noch
Weihnachten und Karfreitag die Hauptfeste des sogenannten Kirchenjahrs. »Es
sind also genau die Feste, die dem natürlichen Kalendarium entsprechen, die die
elementaren Lebensvorgänge von der Wiege bis zur bahre symbolisieren, und gegen
die die Verkündigung der Auferstehung, der Himmelfahrt und der Austeilung des
Geistes als unwirkliche, analogielose Abstraktionen empfunden wird.« 2
Hier zeigt sich wieder eine im tiefsten Sinne
unchristliche
Denkweise: Wir nehmen unsere Erfahrungen als Maßstab. Was wir aus unseren
Erfahrungen für möglich halten, das sind wir auch bereit, entsprechend in der
Liturgie zu feiern, nämlich Geburt und Tod.
Aus christlicher Sicht ist hier der gleiche Fehler
festzustellen, dem auch die Führer des jüdischen Volkes erlagen: Gott mit
menschlichen Maßstäben zu beurteilen.
Wir sind aber von Gott gerufen, unser Leben mit seinen
Maßstäben zu messen, das heißt:
Das einmalige Heilshandeln Gottes, die Auferstehung Jesu,
soll unser Lebensmaßstab sein.
Nur, wer daran glaubt, wird auch die Auferstehung Jesu feiern
können.
6. Österliche Bußzeit und Osterfestkreis
1
Die österliche Bußzeit ist keine Missionszeit, in der die
letzten Reserven des christlichen Glaubens gerettet werden sollen. Das ist die
Zeit im »Jahreskreis«.
Sie ist aber auch nicht die Zeit der großen Einübung in das
Christentum. Das ist die Osterzeit.
Die österliche Bußzeit ist gedacht als eine Art
»Gemeindekatechumenat«: In dieser Zeit soll sich der von Gott gerufene Mensch in die
Heilstaten Gottes vertiefen um in der Osternacht bewußter sprechen zu können:
Ich glaube!
Die Fastenzeit dauert von Aschermittwoch bis zum Beginn der
Abendmahlsmesse am Donnerstag der Karwoche. Das zeigt, wie sich das Verständnis dieser Tage grundlegend
gewandelt hat:
Früher wurden Karfreitag (Welt) und Ostern (Glaube/Himmel)
getrennt. In der Karwoche wurde nur des Leidens und Sterbens gedacht.
Und die Auferstehung war etwas völlig Neues, hatte nichts
mehr mit dem irdischen Jesus zu tun.
Konsequenterweise wurde der im ursprung fröhliche
Gründonnerstag »verschoben«, es entstand das Fronleichnahmsfest, das sogar
außerhalb der Osterzeit liegt.
Zur gleichen Zeit entwickelte sich auch die
Kreuzwegfrömmigkeit; noch bis heute gibt es dazu in den Gebetsvorlagen keine
Texte für eine Osterstation.
Aber erst Ostern macht Gründonnerstag und Karfreitag zu
Tagen, die zu feiern sich lohnt. Ostern ist sozusagen die letzte Prägung eines Geldstücks.
Erst durch die »Osterprägung« wird die »Mahl- und Todesmedallie« zum Angeld
für unsere Erlösung. Erst dadurch werden das Letzte Abendmahl und der Tod Jesu
für uns bedeutsam.
7. Gründonnerstag und Karfreitag:
...zwei österliche Feste
Nur von Ostern her sind die Gottesdienste am Gründonnerstag
und am Karfreitag zu verstehen. Wir können uns nicht mit den Apostlen
vergleichen. Wir können nicht ihre Erlebnisse an diesen Tagen nachspielen.
Aber gerade weil wir von Ostern wissen haben diese Tage für
uns eine Bedeutung bekommen, die zu feiern es lohnt:
a) Die Messe vom letzten Abendmahl
Der Gründonnerstag ist uns zum Tag geworden, an dem Jesus
uns die Feier schenkt, die es uns ermöglicht, immer wieder uns mit seinem Tod
und seiner Auferstehung zu verbinden.
Die Fußwaschung ist ein Sinnbild für das, was das Abendmahl
des Neuen Bundes sein wird: Gottes Dienst. Der Sohn Gottes, in dem Gott selbst
bei den Aposteln ist, tut den niedrigsten Dienst, den ein Mensch nach damaligem
Verständnis nur verrichten könnte.
Die Fußwaschung nenne ich auch gern das »vergessene
Sakrament«. Wenn in der Abendmahlsfeier des Gründonnerstags der
Priester die Fußwaschung vollzieht, soll sie ihm eine Mahung zur Demut sein
(Ein Beispiel habe ich euch gegeben...), die Gemeinde aber soll sie daran
erinnern, daß Jesus immer unter uns gegenwärtig ist, wo nach seinem Beispiel
gehandelt wird.
Dieses Zeichen der Fußwaschung wird vielfach unterlassen,
weil es nicht unserem Alltag entspringt. Wir kommen mit gewaschenen Füßen zur
Kirche, tragen feste Schuhe und keine Sandalen, und wenn dann nur - sozusagen
symbolisch - ein Fuß gewaschen wird, verliert das Zeichen auch noch die letzte
Aussagekraft. Vielfach wird nach anderen Ausdrucksmöglichkeiten gesucht, in der
Regel aber - meist aus Bequemlichkeit - dieses Zeichen ganz unterlassen.
b) Der Karfreitagsgottesdienst
Daß Ostern auch die Todes-Feier des Karfreitags
überstrahlt, wird gleich zu Beginn des Gottesdienstes deutlich durch die Lesung
aus dem Buch Jesaja, sodaß wir schon vor dem Verlesen der Passion daran
erinnert werden, was den Emmaus-Jüngern erst nach Ostern deutlich wurde: »Mußte
der Menschensohn nicht all das erleiden, damit die Schrift erfüllt wurde...«
Die folgende Lesung aus dem Hebräerbrief ist sozusagen der
nachösterliche Beweis für die Wahrheit des Prophetenwortes. Hier zeigt sich,
wie gefährlich es ist, wenn eine dieser Lesungen weggelassen wird, damit - wie
man meint - der Gottesdienst nicht zu lang wird.
Ein weiteres österliches Zeichen ist die Kreuzverehrung:
»Seht das Kreuz, an dem der Herr gehangen, das Heil der Welt! Kommt, lasset uns
anbeten!«
Wie könnten wir einen gekreuzigten Jesus anbeten, wenn wir
durch seine Auferstehung nicht wüßten, daß er der Sohn Gottes ist? Aus
welchem Grund dürften wir vor ihm die Knie beugen wie sonst nur vor dem
Allerheiligsten.
8: Der Karsamstag
Der Tag der Grabesruhe blieb von Anfang an ohne
eigene Liturgiefeier. Lediglich die mönchiche Stundenliturgie wird an diesem
Tag gebet.
Heute allerdings wird in vielen Gemeinden in den Abendstunden
dieses »Tages der Grabesruhe Jesu« die Auferstehungsfeier in Gestalt einer
erweiterten "Vorabendmesse" gefeiert.
Wie kam es zu solch einer Praxis? Wollen wir möglichst
schnell den Tod Jesu wieder aus der Welt schaffen?
»Jesu realer Tod wird [aber gerade] unterstrichen durch die
Erwähnung des Begräbnisses. Die Verlorenheit und die weltliche Schande treten
dadurch deutlicher hervor. Die Ohnmacht und die Erniedrigung steigern sich,
indem von der Auferstehung am dritten Tag die Rede ist: Jesus ist wirklich in
die letzte und äußerste Not gekommen und scheint aller Hilfe zu entbehren...
Isaak brauchte nicht geopfert zu werden; ...Gott aber hat seinen Sohn nicht
geschont und ihn bis zum schändlichen Tod hingegeben.« 3
Am Karsamstag soll die Leere deutlich werden, die durch den
Tod Jesu entstand. Selbst eine Kreuzwegandacht wäre hier Fehl am Platze. Wir
sollten diese Leere aushalten und nicht gleich in die Zukunft springen.
Liturgie dient dem Heute.
9: Mit Christus auferstanden: Die Feier der Osternacht
1
In der Feier der Osternacht ist das gesamte Kirchenjahr -
oder noch besser: unser Glaubens-Jahr - zusammengefaßt wie in unter einem
Brennglas.
Was in der Feier der Osternacht geschieht, ist in keinem
anderen Lied so deutlich ausgedrückt wie in der neufassung des Liedes »Das ist
der Tag, den Gott gemacht« (GL 220).
In diesem Lied besingen wir Jesu Auferstehung, die auch uns
schon heute betrifft.
Die Strophen des Liedes haben die gleiche Struktur wie die Osternachtsfeier:
-
In der ersten Strophe wird gesagt, daß Gott Großes getan hat; ein Zeichen
dafür ist die Freude der ganzen Schöpfung. - Das ist das Exultet.
-
In der zweiten Strophe wird der Grund dieser Freude verkündet.
- Das ist der Wortgottesdienst.
-
Die dritte Strophe sagt, wie dieses Heil uns heutige Menschen erreicht hat.
- Dem entspricht die Tauffeier.
-
Die vierte Strophe zeigt, daß das Leben des mit Christus auferweckten
Menschen von dieser Heilstat Gottes geprägt ist. - Das geschieht in der
Eucharistiefeier.
-
Aufgrund des Erfahrenen Heils kann der Mensch nicht
schweigen und fordert alle auf, in seinen Lob und Dank mit einzustimmen. - Dies zeigt sich in der Art, wie wir den Ostertag begehen.
Der beste Zeitpunkt für eine Erlebnisreiche
Auferstehungsfeier ist der frühe Morgen. Die Feier sollte in der Dunkelheit
beginnen und im hellen Licht des neuen Tages enden. Nur Kerzenlicht sollte sich
mit dem Licht des beginnenden Tages mischen (Elektrisches Licht würde lediglich
ein Zeichen dafür sein, daß der Mensch in begrenztem Maße sich selbst helfen
kann).
-
Wie die Frauen in aller Frühe zum Grab gingen, so stehen
auch wir in der Dunkelheit dieser Welt auf, um zu Jesus zu gehen. Und dort geht uns ein Licht auf!
-
Gott läßt Feuer aus dem Stein sprühen, »damit wir im
Dunkel der Nacht nicht auf Wärme und Licht verzichten müssen. 4
An diesem Feuer wird die Osterkerze entzündet.
Sie ist das Zeichen der Gegenwart Christi. Er leuchtet uns
heim wie die »leuchtende Feuer- und Wolkensäule, die dem Volk auf dem Zug
durch das Rote Meer in die Heimat voranzog.« 5
Was Paulus den Ephesern schreibt, das tun wir in dieser
Nacht: Wir stehen auf, damit Christus unser Licht wird.
-
Einem Weckruf gleicht deshalb das »Lumen Christi«. Mit
kräftiger Stimme ruft der Diakon oder der Priester diesen ersten Satz allen zu:
Seht Christus, das Licht! Bei diesem Satz kann man ruhig erschrecken, wie die Frauen am
Grab. Alle (nicht nur der Chor) antworten: Dank sei Gott.
-
Dieser dreimalige Wechselruf ist schon eine in sich
geschlossene Liturgie: Christus wird verkündet als der, der für uns das Licht
in der Dunkelheit geworden ist, das Licht, das nie verlöscht. Und alle danken
für diese Heilstat Gott an uns.
-
So wie wir sonst im Kyrie der Messe den Auferstandenen
Christus in unserer Mitte begrüßen, so grüßen wir in dieser Nacht mit diesem
Wechselruf Christus als unser Licht.
-
Und wir werden gleich »Feuer und Flamme«, wir empfangen von
ihm das Licht und geben es weiter. So wird die Kirche zu Gottes Haus aus
lebendigem Licht.
-
In der Lichtfeier kommt Christus im Zeichen des Lichts in
unsere Dunkelheit.
-
Im Wortgottesdienst spricht er im Evangelium zu uns, um uns
einzuladen, ihm zu folgen.
-
In der Tauffeier oder in der Feier des Taufgedächtnisses
werden wir hineingenommen in seinen Tod und seine Auferstehung und ihm
gleichgestaltet.
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In der Eucharistie wird er auch für unsere Sinne faßbar in
Brot und Wein. Wir begegnen ihm mit Leib und Seele, schauend und glaubend.
-
Am Ende des Gottesdienstes werden wir mit dem Frieden Gottes
gesandt, das Halleluja zu verkünden, auch im Leben Gottes große Tat, seinen
Dienst an uns Menschen zu verkünden und zu bezeugen.
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