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Eine Betrachtung zum Lobgesang
Mariens (15. August 1999)
Warum fällt es vielen nur so
schwer,
etwas anderes zu tun, als was Maria tat?
»Mariä Himmelfahrt« heißt im Volksmund das Fest, das die Kirche am 15.
August feiert. »Maria Himmelfahrt« sagen sogar manche, und
machen damit deutlich, wie wenig die Volksfrömmigkeit von diesem Fest
verstanden hat, den Menschen etwas vom Geheimnis und der Liebe des
unendlichen Gottes nahezubringen.
»Hochfest der Aufnahme Mariens in den
Himmel« heißt dieses Fest seit dem Zweiten Vatikanischen Konzil im
offiziellen Sprachgebrauch der liturgischen Bücher, und die Tatsache, wie
wenig sich dieser Titel - selbst in seiner Kurzform »Mariä Aufnahme in
den Himmel« - durchsetzen konnte, zeigt, wie wenig in den vergangenen
dreißig Jahren von den in der Verkündigung stehenden Verantwortlichen
getan worden ist, die Anliegen des Konzils verständlich zu machen.
»Mariä Aufnahme in den Himmel« - das
klingt so nüchtern, ist kompliziert auszusprechen, für die Bezeichnung
eines Festes vielen einfach zu lang. »Mariä Himmelfahrt« - bei diesem
Wort denken zwar viele Menschen, seit die erste Rakete in den Weltraum
gestartet wurde, in ihrem ersten Gedanken an soetwas wie einen
Raketenstart, aber irgendwie klingt es doch herzlicher.
Am Fest »Mariä Himmelfahrt« erwarten die Gläubigen eine Predigt, die
zu Herzen geht, und so richtig nach alter katholischer Art die Vorzüge
der allzeit jungfräulichen Gottesmutter Maria preist.
So sagt es ja auch schon der Name: Mariä Himmelfahrt - das heißt: es
geht um Maria. Der komische neue Titel dagegen, »Aufnahme Mariens in den
Himmel«, verändert den Schwerpunkt. Subjekt dieser Festbezeichnung ist
auf einmal nicht mehr Maria, sondern die Aufnahme in den Himmel. Subjekt
ist damit der, der diese Aufnahme vollzieht, eben Gott. Und somit ist der
15. August auf einmal kein Marienfest mehr, kein Heiligenfest, sondern ein
Fest unseres Glaubens, der uns durch unseren Herrn Jesus Christus
geschenkt wurde, ein Christusfest, das natürlich auch an einem Sonntag
gefeiert wird.
Und mehr noch: Wir könnten dieses Fest feiern, und richtig feiern, gläubig
feiern und fromm, ohne auch nur ein einziges jener Lieder zu singen, die
als »Marienlieder« bezeichnet werden.
Es fällt mir schwer, als jemand, der
auf den Namen Christi getauft wurde, an diesem Tag etwas anderes zu tun,
als was Maria tat:
-
Meine Seele preist die Größe
des Herrn,
und nicht etwa:
Gegrüßet seist du Königin, erhabne Frau und Herrscherin... (GL
573,1)
-
und mein Geist jubelt über
Gott, meinen Retter.
und nicht etwa:
unser Leben, unsre Wonne, unsre Hoffnung, sei gegrüßt... (GL 571)
-
Denn auf die Niedrigkeit seiner
Magd hat er geschaut.
und nicht etwa:
Sagt an, wer ist doch diese,... die über'm Paradiese als Morgenröte
steht... (GL 588,1)
-
Siehe, von nun an preisen mich
selig alle Geschlechter,
Dieser Satz scheint in der Tat alles zu rechtfertigen, was die
Lieder über Maria und an Maria sagen,
aber nur, wenn man den Lobgesang Mariens nicht weiterbetet, denn:
-
Denn der Mächtige hat Großes
an mir getan, und SEIN Name ist heilig!
und nicht: - Sieh, wir sind dir untertan, mächtge Jungfrau führ
uns an! (GL 877,1)
-
Er erbarmt sich von Geschlecht
zu Geschlecht, über alle, die ihn fürchten.
und nicht: - Maria, hohe Frau, barmherzig auf uns schau, zu uns
dich neige... (GL 572,3)
-
Er vollbringt mit seinem Arm
machtvolle Taten.
und nicht: - Lös der Schuldner Ketten, mach die Blinden sehend,
allem Übel wehre... (GL 578,5)
-
Er zerstreut, die im Herzen voll
Hochmut sind, er stürzt die Mächtigen vom Thron und erhöht die
Niedrigen.
und nicht: - Du, unsre Hoffnung, sei gegrüßt... (GL 573,3)
-
Die Hungernden beschenkt er mit
seinen Gaben, und läßt die Reichen leer ausgehen.
und nicht: - Sieh an die Not der Armen, o Maria, hilf!... (GL
878,8)
-
Er nimmt sich seines Knechtes
Israel an und denkt an sein Erbarmen, das er unseren Vätern verheißen
hat,
Abraham, und seinen Nachkommen auf ewig.
und nicht: - Ihre Gnaden, ihre Taten, ehr, o Christ, mit Herz und
Sinn... (GL 589,1).
Es ist natürlich schon irgendwie ernüchternd,
was von all diesen herzergreifenden Marienliedern übrig bleibt, wenn man
einmal all jene Aussagen und Hoheitstitel wegnimmt, die Maria selbst in
ihrem großen Lobgesang Gott zuspricht. Ich kann schon seit vielen, vielen
Jahren die meisten dieser Lieder nicht mehr ehrlich mitsingen. Da hilft es
auch nichts, wenn sie eine noch so schöne Melodie haben, und wenn man
sagt, daß das alles so ja nicht gemeint sei.
Das kann ich dann auch sagen: So ist das alles nicht gemeint.
Worte meinen immer das, was sie sagen. Und wenn ich das nicht meine, was
meine Worte sagen, dann kann ich sie nicht mehr gebrauchen.
Und wenn Sie die Frage einmal ehrlich bei sich zulassen, dann sind es
wahrscheinlich nicht einmal, die konkreten Aussagen dieser Lieder, die Ihr
Credo sind, für die Sie bereit wären, auf den Scheiterhaufen zu gehen.
Letztlich werden Sie die Frage, ob nun Gott oder Maria Ihre Hoffnung ist,
richtig zu beantworten wissen.
Es sind wahrscheinlich viel eher die Gefühle, die sie mit diesen Liedern
verbinden, als die Worte; die Erinnerung an eine Kindheit und Zeit, in der
scheinbar alles noch in Ordnung war.
Wer das aber nicht so erlebt hat, für den sind diese Dinge dann aber auch
nicht mehr so wichtig.
Was also bleibt, von diesem Fest, wenn
wir das wegnehmen, was eine volkstümliche Marienfrömmigkeit
hineininterpretiert hat?
Es bleibt, was Maria selber sagt: Der Mächtige
hat Großes an mit getan, und sein Name ist heilig!
Gott hat in der Geburt seines Sohnes
aus Maria der Welt glaubhaft gemacht, daß ER uns nahe ist, daß ER unser
Leben, ER unsre Wonne, und ER unsere Hoffnung ist.
Deshalb ist SEIN Name heilig.
An Maria hat er gezeigt, was er mit jedem von uns vorhat, daß er Wohnung
und Heimat finden will in jedem Menschen.
Deshalb ist SEIN Name heilig.
Er hat gezeigt, daß er auch uns jene Vollendung schenken will, die er in
ihrer Aufnahme in den Himmel Maria bereits geschenkt hat.
Deshalb ist SEIN Name heilig.
Nichts mehr aber auch nicht weniger
feiern wir am 15. August.
(C) Heribert Ester 1999 |
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