Papst Johannes XXIII.
Wegbereiter einer neuen Haltung der Kirche
zu den Menschenrechten
Von Walter Flick
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Papst Johannes XXIII.
(Pontifikat 1958-1963) steht für eine Modernisierung der Katholischen
Kirche im 20. Jh. Hierzu gehört auch, daß er ausdrücklich die
UN-Menschenrechtserklärung von 1948 aufgriff und den Einsatz für die
Menschenrechte als »Zeichen der Zeit« hervorhob. Er selbst
rettete während des II. Weltkriegs als Apostolischer Delegat für Griechenland und die
Türkei viele Juden vor der Deportation in die Konzentrationslager. Er
leitete im historischen Kontext eine neue Haltung der Katholischen Kirche
gegenüber dem Begriff der Menschenrechte ein. Am 3.9.2000 wurde Johannes
XXIII. in Rom seliggesprochen.
»Pacem in terris« – Magna Charta der Menschenrechte
Gegenüber einem »Geist der Moderne«, der etwa in der Französischen Revolution
und der daraus hervorgegangenen Menschenrechtserklärung von 1789 seinen
Ausdruck fand, nahm die katholische Kirche eine undifferenziert ablehnende
Haltung ein. Sie war zumindest nicht in der Lage, die positiven Elemente
der Französischen Revolution zu würdigen und dieses ethische
Grundsatzprogramm für ihr eigenes Denken positiv aufzuarbeiten. In einem
Arbeitspapier der Päpstlichen Kommission Justitia et Pax – Die Kirche
und die Menschenrechte – aus dem Jahre 1975 heißt es: »Die
Haltung der Kirche in den letzten beiden Jahrhunderten gegenüber den
Menschenrechten war nur zu oft durch Zögern, Einsprüche und Vorbehalte
gekennzeichnet.« Zwar finden sich bei den Päpsten Leo XIII.,
(1878-1903), Pius XI. (1922-1939) und Pius XXII. (1939-1958) Annäherungen
an die Idee der Menschenrechte, den entscheidenden Durchbruch aber vollzog
erst Johannes XXIII. in »Pacem in terris«. Die Enzyklika ist die
erste ausführliche Stellungnahme des Lehramtes der katholischen Kirche,
in dem die Menschenrechte nachdrücklich thematisiert werden. Deshalb sei
hier näher darauf eingegangen.
Der Mensch ist seinem Wesen
nach Person
Für Johannes XXIII. gehören
Frieden und Menschenrechte grundlegend zusammen. Es wird deshalb zum
ersten Male in einem päpstlichen Rundschreiben nicht nur die Gemeinschaft
der Gläubigen, sondern es werden »alle Menschen guten Willens«
angesprochen. In seiner Argumentation geht der Papst auch auf die ein, die
weltanschaulich nicht auf christlichem Boden stehen.
Zentral vorangestellt wird
eine Grundüberlegung zum Menschenverständnis: Der Mensch ist »seinem Wesen nach Person
... Er hat eine Natur, die mit
Vernunft und Willenskraft ausgestattet ist; er hat daher aus sich heraus
Rechte und Pflichten, die unmittelbar und gleichzeitig aus seiner Natur
hervorgehen. Wie sie allgemein gültig und unverletzlich sind, so können
sie auch in keiner Weise veräußert werden«. Mit anderen Worten:
Menschenrechte dürfen niemandem abgesprochen und vorenthalten werden, und
wir selbst können nicht auf sie verzichten.
Die Allgemeine Erklärung
der Menschenrechte vom 10. Dezember 1948 ist nach den Worten von Johannes
XXIII. ein »Akt von höchster Bedeutung« und »ein Zeichen
der Zeit«. Denn hier wird »die Würde der Person für alle
Menschen feierlich anerkannt«.
Für den Christen ist
allerdings die Würde der menschlichen Person von der Offenbarungswahrheit
her noch höher einzuschätzen: »Denn die Menschen sind ja durch das
Blut Jesu Christi erlöst, durch die himmlische Gnade Kinder und Freunde
Gottes geworden und zu Erben der ewigen Herrlichkeit eingesetzt.«
Rechte und Pflichten
Der Menschenrechtskatalog
des päpstlichen Rundschreibens unterscheidet sich allerdings von der Erklärung
der Vereinten Nationen durch eine Betonung der Pflichten bei der
Wahrnehmung der menschlichen Rechte. Freiheits- und soziale Rechte müssen
zu einem organischen Ganzen zusammengefügt werden.
In einem Vorwort und fünf
Hauptteilen werden die menschlichen Beziehungen in ihren verschiedenen
Ebenen durchleuchtet. Die fundamentalste Aussage des 1. Artikels lautet:
»Der Friede auf Erden,
nach dem alle Menschen zu allen Zeiten sehnlichst verlangten, kann nur
dann begründet und gesichert werden, wenn die von Gott gesetzte Ordnung
gewissenhaft beobachtet wird.«
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Im 1. Hauptteil, der
die Ordnung unter den Menschen behandelt, wird u.a. das Recht auf
Leben, dessen Erhaltung und menschenwürdige Gestaltung gefordert. Der
Mensch »hat ein Recht auf Beistand im Fall von Krankheit,
Invalidität, Verwitwung, Alter, Arbeitslosigkeit ...« Das Recht
auf Achtung der Person, Meinungs- und Berufsfreiheit, Gewissens- und
Religionsfreiheit, das Recht auf Eigentum.
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Der 2. Hauptteil
behandelt die Beziehungen der Menschen zur eigenen Staatsgewalt mit
ihrer Grundlegung im Gemeinwohl.
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Im 3. Hauptteil über
die Beziehungen zwischen den politischen Gemeinschaften werden u.a.
die tätige Solidarität für Entwicklungsländer, die Hilfe für Flüchtlinge,
der Schutz staatlicher Minderheiten und die notwendige, allseitige Abrüstung
hervorgehoben.
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Im 4. Hauptteil
entwickelt der Papst die Vorstellung einer überstaatlichen
Weltgemeinschaft.
Die UN-Menschenrechtsdeklaration ist »als Stufe
und als Zugang zu der zu schaffenden rechtlichen und politischen
Ordnung aller Völker auf der Welt zu betrachten«.
Mit der Enzyklika »Pacem
in terris« hat der jetzt seliggesprochene Papst eine Magna Charta der
Menschenrechte geschaffen, die über den kirchlichen Raum hinaus von
Bedeutung geworden ist. Das Konzil und die folgenden Päpste haben diese
Lehre und das kirchliche Bewußtsein für die Menschenrechte
weiterentwickelt.
Mit freundlicher
Genehmigung des Autors.
Walter Flick ist Referent für Religionsfreiheit
bei der Internationalen Gesellschaft
für Menschenrechte (IGFM)
Borsigallee 9,
60388 Frankfurt am Main
info@igfm.de
/ www.igfm.de
Die Rechte an diesem Text liegen beim
Autor.
Hier
der Text der Enzyklika
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