Angelo Giuseppe Roncalli
25. November 1881 -  3. Juni 1963

JOHANNES XXIII.

Seine Botschaft bleibt bis in unsere Tage bestehen:
»Ich bin Josef, euer Bruder«

Kurzbiographie von Herbert Rieder

25.11.1881
im oberitalienischen Bergdorf Sotto il Monte wird Angelo Giuseppe RONCALLI als drittes von zehn Kindern eines armen Bauern geboren. Der Bauernsohn stammt aus bescheidenem Milieu. Er wird, wie er selber sagt, »in wahrhaft gesegneter Armut« erzogen.

November 1892
Angelo Giuseppe Roncalli kommt nach Bergamo in das Priesterseminar. Trotz eines guten Gedächtnisses und natürlicher Auffassungsgabe sind seine schulischen Leistungen in den ersten Jahren nicht gerade glänzend.

3.1.1902
Angelo Giuseppe Roncalli fährt nach Rom, um am Päpstlichen Römischen Priesterseminar zu studieren. Zum Priestertum hat er sich schon sehr früh entschlossen.

10.8.1904
ROM – Kurz vor Morgengrauen ging der junge Seminarist mit dem stellvertretenden Rektor in die Nähe der Piazza del Popolo. Dort in einer kleinen Barockkirche »Santa Maria in Monte Santo« wurde Angelo Roncalli drei Monate vor seinem kanonischen Alter von dreiundzwanzig Jahren zum Priester geweiht.

1904
Nach der Priesterweihe wird Roncalli der Sekretär des neuen Bischofs von Bergamo – Graf Radini-Tedesci. Dieser Bischof übt großen Einfluß auf den jungen Priester aus. Radini-Tedesci war ein sozial-gesinnter Aristokrat, der auch einen Streik der Arbeiter unterstützte und damit viel Aufsehen in der römischen Kurie erzeugte.

1904-1914
Roncalli ist Sekretär, Herausgeber des Bistumsblattes »La Vita Diocesana«, Lehrer und Studentenseelsorger. Graf Radini-Tedesci rief drei soziale Institutionen ins Leben, deren kirchlicher Berater der junge Roncalli wurde.

22. August 1914
Kurz vor Mitternacht stirbt mit 57 Jahren der Förderer des jungen Priesters Roncalli, Graf Radini-Tedesci. Kurze Zeit später beginnt für Italien der erste Weltkrieg. Am 23. Mai 1915 erklärt Italien Österreich den Krieg und einen Tag später wurde Roncalli zu den Reservisten eingezogen. Die Jahre als Militärpfarrer werden für den noch naiven jungen Priester lebensprägend. Er begegnet den ausgeprägt brutalen Realitäten des Krieges und die Tagebucheintragungen von Roncalli aus dieser Zeit sind ein Zeugnis der Veränderung eines Menschen.
Trotz seines vollen Terminkalenders gelang es Roncalli, die Biographie über Radini-Tedesci fertigzustellen, die 1916 veröffentlicht wurde. Er reiste nach Rom, um ein Exemplar des Buches dem Papst zu überreichen; im übrigen hielt er sich an den anspruchsvollen Arbeitsplan, den er sich aufgestellt hatte.

November 1918
Wenige Wochen bevor Roncalli aus der Armee entlassen wird, eröffnet er im Palazzo Marenzi in Bergamo ein Studentenheim. In der folgenden Zeit hat er verschiedene Aufgaben für katholische Verbände und Organisationen. In dieser Zeit verschaffte er sich oft Erfrischung durch die Reise in seinen Heimatort »Sotto il Monte«.

1920
Am 10. Dezember wurde er nach Rom gerufen und danach nahm sein Leben eine Richtung, die ihn von seelsorgerischen Aufgaben in die Welt hinausführte.
Papst Benedikt XV. wollte die Missionsgesellschaften internationalisieren und er beauftragte damit den früheren Sekretär seines Freundes Radini-Tedesci, Roncalli. »Sie werden der Reisende Gottes sein«, sagte der Papst zu Roncalli und entließ ihn mit seinem Segen.

1921
Im Mai wurde Roncalli zum Hausprälaten seiner Heiligkeit ernannt, die ihn berechtigte, den Purpur eines Monsignore zu tragen.

1924
Im November wurde Roncalli zum Professor der Patristik ernannt, der Wissenschaft von den Kirchenvätern. Es war eine wichtige Ernennung. Aber schon drei Monate nach der Ernennung wurde ihm mitgeteilt, daß er als Apostolischer Visitator nach Bulgarien geschickt würde. Zuvor wurde er zum Bischof ernannt und als Gesandter des Papstes in den Rang eines Erzbischofs erhoben. Sein Wappen führte die Worte »Oboedientia et Pax - Gehorsam und Frieden«.

1925
Am 23. April 1925 bestieg Roncalli mit seinem Sekretär in Mailand den Orient-Express nach Sofia. Er begann seine Aufgabe als päpstlicher Visitator und Titularbischof von Areopolis – einer alten Diözese in Palästina.
Am 3. Mai feierte Roncalli in der römisch-katholischen Kirche in Sofia die Messe und hielt seine Antrittspredigt.
Die Zeit Roncallis auf dem Balkan ist gekennzeichnet von seinem sozialen Handeln und der Mission für die Bevölkerung. Er beschafft Nahrungsmittel, Medikamente und Bekleidung für die notleidende Bevölkerung. Auch aus dieser Zeit kommt seine für später wirksame Beschäftigung mit anderen Religionen und der orthodoxen Kirche.

26. September 1931
Der heilige Stuhl erhebt seinen Vertreter in Sofia zum Apostolischen Legaten, was zwar nicht der Stellung eines Nuntius entsprach, aber doch die Anerkennung des bulgarischen Staates beinhaltete.

21. November 1934
Der Osservatore Romano druckte eine kleine Notiz:
»Seine Heiligkeit Pius XI. hat seine Exzellenz Angelo Giuseppe Roncalli, Apostolischen Legaten in Bulgarien, zum Apostolischen Legaten für die Türkei und Griechenland ernannt«.
In der Türkei des Atatürk war Roncalli für die kleinen christlichen Gemeinden als Seelsorger tätig und Bischof von Byzanz. Atatürk, der den Islam als Staatsreligion abschaffte, war auch dem Christentum gegenüber feindlich gesinnt. Es war verboten, in der Öffentlichkeit geistliche Tracht zu tragen.

1939 -1944
Die Zeit des 2. Weltkrieges auf dem Balkan forderte von dem Apostolischen Legaten die ganze Schaffenskraft. Roncalli war mit der ganzen Kraft seiner Liebe für seine Nächsten tätig. Die Betreuung von Kriegsgefangenen, die Hilfen für Juden und sein Kampf gegen die Kriegsgreuel waren außergewöhnlich. Mit Hilfe von vatikanischen Geldmitteln errichtete er Nahrungsmitteldepots, half Juden zur Flucht und organisierte viele Hilfsmaßnahme im gesamten östlichen Mittelmeerraum.

Dezember 1944
Roncalli wird zum Nuntius in Frankreich ernannt. Man brauchte einen Gesandten, der nicht in Verdacht stand, mit dem Vichy-Regime in Frankreich kollaboriert zu haben. Mit 63 Jahren begann Roncalli eine neue Aufgabe und meisterte seine Aufgabe mit großem Geschick. Auch hier in Frankreich sind es konkrete Menschen (deutsche Theologiestudenten, französische Arbeiterpriester), denen er sich ratend, helfend und schützend zuwendet.

1951
Zusätzlich zu seinen anderen Aufgaben wurde Roncalli der erste ständige Beobachter des Vatikans bei der Organisation der Vereinten Nationen für Erziehung, Wissenschaft und Kultur (UNESCO), die ihr Hauptquartier in Paris hat.

1953
Am 12. Januar ernannte der heilige Vater den Nuntius Roncalli zum Kardinal und am 15. Januar überreichte ihm sein Freund Vincent Auriol – damals Präsident von Frankreich – das rote Birett der Kardinäle.
Kurz vor Jahresende war der Patriarch von Venedig gestorben und Roncalli wurde am 15. März sein Nachfolger. Bei seinem Einzug in die Lagunenstadt waren die Fenster des Rathauses – wegen der starken kommunistischen Fraktion – geschlossen. Einem Offiziellen, der sich dafür entschuldigte, sagte der neue Seelsorger: »Wir werden versuchen, die da oben zu öffnen«.
Seine herzliche und unkomplizierte Art half ihm, die Herzen der Venezianer zu erobern und er wurde ein Seelsorger für die ganze Stadt. Roncalli ist ein Mann ohne Berührungsängste, ob es nun bei der Biennale oder beim Kongress der Sozialisten in Venedig ist. Seine Tage waren angefüllt mit Besprechungen – aber Roncalli fand immer Zeit für die Menschen. Ob es nun der Besuch in den Krankenhäusern war, die Segnung einer Rugby-Mannschaft oder die Fahrten mit den öffentlichen Boot-Bussen.

1958
Am Morgen des 9. Oktober stirbt in Rom Papst Pius XII. und der Patriarch von Venedig muß zum Konklave nach Rom. Einem Mitarbeiter, der noch vorher eine Sache klären wollte, sagte er, daß er darüber nach seiner Rückkehr sprechen würde.
Am 25. Oktober beginnt das Konklave. Beim 11. Wahlgang am 28. Oktober wählt die Mehrheit der Kardinäle den nun fast 77-jährigen Roncalli zum neuen Papst. Roncalli wählt als Papstnamen den Namen seines Vaters und der Kirche, in der er getauft wurde – JOHANNES.
Bald danach macht der Begriff »Papa di passaggio« - Papst des Überganges die Runde. Gemeint war damit, daß aufgrund des hohen Alters von Johannes XXIII. wohl kaum mit Veränderungen zu rechnen sei. Der neue Papst veränderte aber den Inhalt dieser Aussage. Er wurde ein Papst des Überganges – aber des Überganges von einem zentralistisch dominierenden Pontifikat zu einem Papsttum der Öffnung und dem Eingehen auf die Problem der Zeit.

1959
Am Sonntag, dem 25. Januar machte der Papst nach einer Messe vor 17 Kardinälen eine Ankündigung, die diese sehr stark verunsicherte, aber für die Entwicklung der Kirche in unserem Jahrhundert von großer Bedeutung ist. Johannes kündigte das 2. Vatikanische Konzil an.
Johannes XXIII. hat mit seinen Lehrschreiben MATER ET MAGISTRA und PACEM IN TERRIS (Sozial-Enzyklika und Friedens-Enzyklika) die Nöte des heutigen Menschen aufgegriffen. Auch seine Versuche zu Verwirklichung der Einheit der Christen sind von herausragender Bedeutung.
Aber nicht diese Dinge haben bewirkt, daß er solange in der Erinnerung der Menschen bleibt. In der Erinnerung behalten haben wir Johannes als den Mitmenschen, Papst der Güte, Freund der Menschen in Not und Bedrängnis. Seine Besuche in Gefängnissen, Krankenhäuser und Kinderheimen zeigen die ganze Tiefe seines christlichen Glaubens und seiner Liebe zu den Menschen.

11. Oktober 1962
Mit dem Hymnus »Veni, Creator Spritus« beginnt das 2. Vatikanische Konzil in Rom, dessen veränderndes Ende der Revolutionär auf dem Papstthron nicht mehr erleben wird. Es verändert die Kirche und ihr Bild gewaltig und gibt ihr Impulse für die moderne Zeit.

26. Oktober 1962
Papst Johannes XXIII appelliert an die Führer der Weltmächte. Die Kuba-Krise ist auf ihrem Höhepunkt. Er weißt darauf hin, daß die Geschichte die preisen werde, die die Völker der Welt und ihr Schicksal nicht übersehen und das Schicksal der Menschen über ihre nationalen Interessen stellen. Am 28. Oktober kündigt Chruschtschow an, daß die Raketen aus Kuba zurückgezogen werden.

3. Juni 1963
Das Leben von Johannes XXIII. geht zu Ende. 5 Jahre hatte der Bauernsohn aus Norditalien Zeit, dem Papsttum des 20. Jahrhunderts einen neuen Geist zu geben. Der Tod hatte sich schon seit langem angekündigt. Als die Ärzte ihm sagten, er habe eine »gastropathische Kondition«, lachte er laut und sagte: »Nur weil ich Papst bin. Sonst würden Sie es Magenschmerzen nennen.« Der Tod, den er nie als Feind ansah, kam am Abend des 3. Juni 1963 und beendete ein Leben voll Schaffenskraft für den Mitmenschen.


Mit freundlicher Genehmigung des Autors.
Herbert Rieder ist Leiter des
Berufsförderungszentrums
Roncalli-Haus * Fellbach.
Die Rechte an diesem Text liegen beim Autor.


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