32. Sonntag im Jahreskreis:   
Fünf vor zwölf    

Natürlich habe ich als Kind auch Bonanza geguckt oder Raumpatrouille, aber ein Film, den ich damals wirklich als so etwas wie Kunst angesehen habe, war "High Noon" mit Grace Kelly und Gary Cooper: Am Tag seiner Hochzeit wird ein US-Marshal zu einer Gewissensentscheidung gezwungen: Ein Gangster, den er vor Jahren ins Gefängnis brachte, dürstet nach Rache und soll mit dem Mittagszug eintreffen. Die feigen Bewohner der Stadt raten dem Marshal, sich in Sicherheit zu bringen. Seine Braut, eine Quäkerin, verabscheut Gewalt und will ihren Mann verlassen, falls er sich der Auseinandersetzung stellen sollte. Alles entscheidet sich in letzter Minute. Die Uhr, deren Zeiger immer näher auf die Zwölf zurücken, wird zum Symbol, wie schnell ein Mensch alles verwirken kann, was ihm wichtig ist. Zugleich macht der Film in einzigartiger Weise deutlich, wie sehr unsere Entscheidungen als Menschen verwoben sind mit den Einstellungen und Haltungen anderer.
"High Noon - Fünf vor Zwölf - Zwölf Uhr Mittags" – die Nähe eines bevorstehenden Endes scheint förmlich zu lähmen. Und überließe im Grunde die Entscheidung einem blinden Zufall. Wenn da nicht Jesus wäre, der förmlich in letzter Minute, als die Zeit erfüllt war, in diese Welt gekommen ist. Als solchen Retter, der die Welt zum Guten führt, stellen uns die Lesungen des endenden Kirchenjahres den Heiland vor. Nun muss niemand feige davonschleichen, denn er hat sich dem Bösen gestellt und es besiegt, indem er es durchlitten hat – für uns.


(C) 2003 Heribert Ester