3. Ostersonntag:   
Mit Augenmaß Spur halten    

Vom Sehen und von der Blindheit ist in den Lesungen dieser Ostersonntage viel die Rede: Daß mancher, der Sehen kann, in seinem Herzen blind ist, und – wer in seinem Herzen Blind ist – nicht wirklich, nicht die Wirklichkeit sehen kann.
Da war Thomas, den wir gern "den ungläubigen" nennen, und da waren die beiden Emmausjünger, denen es schließlich wie Schuppen von den Augen fällt.
Und alles in allem sind diese Erzählungen gar nicht so weit weg von unserer Lebenswirklichkeit.
Da wollen wir in österlicher Freude die Auferstehung Jesu feiern und müssen doch mit ansehen, wie sich Israelis und Palästinenser gegenseitig abschlachten.
Grund für die Blindheit des Herzens ist immer das Gefühl, um etwas betrogen zu werden. Das Gefühl, etwas nicht teilen zu können, etwas allein besitzen zu müssen, sei es konkret das Land, um das gekämpft wird, seien es aber auch Meinungen, die man nicht nebeneinander stehen lassen kann. Die Botschaft, "Jesus lebt", konnte nicht stehen neben der Erfahrungswelt, "tot ist tot."
Warum nur bauen wir viel lieber Zäune und Mauern, als den Bereich Welt, für den wir Verantwortung tragen, unverwechselbar zu gestalten?
Weil, wenn die Mauer fehlen würde, ich ja sehen müßte, daß Welt auch anders aussehen kann, daß "meine" Welt nicht der Mittelpunkt des Universums ist. Die Jünger, deren Herzensblindheit Jesus geheilt hat, erkennen in Gott den Mittelpunkt, dieser Welt. Und wer diesen Mittelpunkt je gesehen hat, kann nie wieder blind werden.


(C) 2002 Heribert Ester