11.
Sonntag im Jahreskreis: |
Das war schon eine seltsame Zeit damals, daß zu
einem fast öffentlichen Festmahl ein Pharisäer eine Prostituierte einlud.
Oder vielleicht sogar mehrere. Verachtet waren diese Frauen, man ließ sie
links liegen, immer dann jedenfalls, wenn man ihre Dienste gerade nicht oder
nicht mehr brauchte. Das war schon eine ziemliche Doppelmoral, zu
akzeptieren, daß Männer sich Sex erkauften, die Frauen aber, die diesen
boten, zu verachten. Ähnlich erging es auf diesem Fest auch dem Wanderprediger Jesus. Es war schick, ihn auf der Party als Gast vorweisen zu können, aber wirklich etwas von seiner Predigt annehmen wollte man nicht. Menschen – das wird hier deutlich – sind schnell bereit, andere für ihre Bedürfnisse zu funktionalisieren, sie dazu zu gebrauchen, wozu sie einem nützlich sind. Jesus und diese Frau – beide wurden sie hinter vorgehaltener Hand als Sünder bezeichnet, doch hier waren sie ein Muß für den Abend. Mit der Frau flirteten die Männer und konnten endlich mal wieder den Macho raushängen lassen, und mit Jesus gab man sich intellektuell: "Ist es wirklich so, Meister, daß... ?" Die Frau weinte, als sie Jesus salbte... Liebe hat oft mit Tränen zu tun. Wirkliche Sünde dagegen aber mit Stolz und Hochnäsigkeit. Die Gäste auf dem Fest des Pharisäers rümpfen die Nase, sie haben nichts verstanden. Das paßt zusammen. Manchmal eben stände es uns besser an zu weinen als die Nase zu rümpfen, oder was meinen Sie?
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