4. Fastensonntag   
Einen Steinwurf nahe    

Ich habe es schon öfter erzählt, daß ich Steine mag. Jedesmal, wenn ich zum Beispiel aus Irland zurückkomme, habe ich immer auch Steine im Gepäck. Mit ihnen dekoriere ich, gestalte ich. Oft genug kam mir das Leben wie eine Steinwüste vor. Vielleicht fühle ich mich deshalb Steinen so verbunden.
Menschen wie Steine habe ich auch schon genügend erfahren in meinem Leben. Aber – ganz anders – mit ihnen kann man keinen Wohnraum, nicht einmal einen Steingarten, ja, überhaupt keinen Lebensraum oder Lebensgarten gestalten. Sie schmücken nicht, bereichern nicht, sind einfach nur da, unbeweglich, hart: versteinert eben. Menschen-wie-Steine sind oft nur einen Steinwurf nahe.
Es ist schwer zu sagen, was sie so hart werden ließ. Und es wäre leicht, mit Steinen auf sie zu werfen und sie mit Vorwürfen oder Schuldzuweisungen zu überschütten.
Das Gleichnis vom Verlorenen Sohn, der Umgang Jesu mit der Frau, die die Menschen als "Sünderin" zu ihm brachten, sind uns erzählt zum "Steinerweichen", zum Herzerweichen: Der ältere Bruder will nichts mehr mit seinem jüngeren Bruder zu tun haben; die ach-so-gerechten Männer, die diese Frau zu Jesus bringen, suchen nur eine Rechtfertigung, sie mit ihrem vermeintlichen Recht fertigzumachen.
"Gott macht da nicht mit!" – sagt Jesus. Er hat die Steine in die Wüste gesetzt, nach Irland oder sonst wohin. Sie gehören aber nicht in die Herzen oder auf Menschen geworfen. Und mag es Tausende von sogenannten guten Gründen geben...



(C) 2001 Heribert Ester