Wahrheit, Klugheit,
Weite, Rückgrat
Am Rand des religiös bewegenden ökumenischen Kirchentags hatte ein katholischer Theologe Nicht-Katholiken zur Kommunion geladen. Ein katholischer Pfarrer empfing demonstrativ das evangelische Abendmahl. Beide wurden
des Amtes enthoben. Sie haben sich gegen den lehramtlichen Konsens gestellt. Dennoch sind viele Gläubige, die sich keineswegs als rebellische ,, Basischristen" verstehen,
- wir spüren es an Leserbriefen - empört. Von der Kirchenleitung heißt es, ihr sei nichts anderes übrig geblieben. Wirklich? Beim Kirchentag war sogar aus der Bischofskonferenz zu hören, man solle die Dinge niedriger hängen. Dann aber hat sich nach Äußerungen des Nuntius, der Sanktionen erwartete, und nach Dialogverweigerung der Geistlichen alles Zugespitzt. Wahrheit mit Klugheit verbinden - das versuchen viele Pfarrer, die faktisch in jedem Sonntagsgottesdienst wissen und dulden, daß Nicht-Katholiken an den Tisch des Herrn treten. Niemand würde diese pastoral sensiblen Geistlichen zurechtweisen. Kirche ist kein Überwachungsstaat. Gerade deshalb darf sich auch die bischöfliche Lehrautorität nicht in geistig-geistliche
Enge treiben, ihre ureigene Amtsvollmacht in der Nachfolge der Apostel aus der Hand nehmen lassen, selbst von Vatikan-Behörden nicht. Die Geistlichen, die in Berlin provozierten, müssen sich freilich vorhalten lassen, dem Anliegen konfessionsverschiedener Paare schwer geschadet zu haben. Denn diese Hauskirchen konnten realistisch hoffen, eine amtliche Zulassung zur gemeinsamen Kommunion zu erhalten. Jetzt ist Verhärtung zu befürchten. Die
Bischöfe aber sind gefragt, welches Rückgrat sie beweisen wollen
gegen das erfolgreiche Unwesen des Denunziantentums Richtung Rom. Und wie
ist der jahrzehntelangen Mißachtung ortskirchlicher Anliegen durch die
oberste Zentralgewalt entgegenzuwirken - angefangen von den übergangenen
Voten der Würzburger Synode, etwa zu verheirateten Priestern, über die
Verwerfung der Laienpredigt, die Zurückweisung einer Gewissensregelung für
wiederverheiratete Geschiedene. das Verbot der Schwangerenkonfliktberatung
bis zum Nein beim Frauendiakonat...? Immer wieder schien es klug zu sein
nachzugeben, um Wichtigeres zu erreichen. Aufgegeben wurde eins nach dem
anderen. Was aber ließ sich durch diese Taktik voran bewegen? Selbst zögerlichste
liturgische Reformen stagnieren. Eine Katastrophe für Glaubende, die
Gottesdienst feiern wollen im modernen Bewußtsein, daß wir sakramental
nicht hinter Aufklärung und Entmythologisierung zurückfallen können!
Bei erneutem Versagen, nun bei konfessionsverschiedenen Familien, wäre
der inzwischen beträchtliche Ansehens- und Vertrauensverlust der
Lehrautorität unermeßlich. Weder Bischöfe noch Volk können daran
Interesse haben. Unruhe und Ungeduld wachsen. Die Bischöfe sollen mit dem
Glaubenssinn des Volkes Gottes auch erfolgreich agieren, nicht bloß
reagieren, in Wahrheit, Klugheit, Weite, mit Rückgrat.
Der Kommentar 3. August 2003
Christ
in der Gegenwart, 31/2003, S. 257
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