Traditionalisten heimgeholt
Quo vadis, Benedikt?
Papst
Benedikt XVI. hat vier exkommunizierte Bischöfe
rehabilitiert. Er wirft damit die Frage auf, in welche
Richtung sich die Kirche bewegt: Rückbesinnung oder Öffnung?
Papst
Benedikt und die kirchliche Tradition - eine heikle Beziehung.
Schon im Jahr 2007 hat Josef Ratzinger für Unruhe gesorgt,
als er mit seinem Dokument "Summorum Pontificum" den
lateinischen Messritus wieder allgemein freigegeben hat. Nun
wirft seine Entscheidung, vier exkommunizierte
traditionalistische Bischöfe in die Kirche zurückzuholen,
die Frage auf, wie er in Zukunft mit den Errungenschaften des
Zweiten Vatikanischen Konzils, bei dem die Öffnung der Kirche
beschlossen wurde, umgeht.
Beim
Zweiten Vatikanischen Konzil (1962 bis 1965) unter Papst
Johannes XXIII. vollzog die Kirche die Öffnung gegenüber der
modernen Gesellschaft. Gleich auf drei Ebenen definierte die
Kirche die Gesprächskultur neu: mit der Ökumene, also den
anderen christlichen Kirchen; mit den anderen Weltreligionen,
denen sie zugestand, "Spuren der Wahrheit" enthalten
zu können; und mit den Gläubigen, denen sie mehr
Mitspracherechte einräumte.
Dieses neue
Verhältnis gegenüber den Gläubigen spiegelte sich auch in
der 1970 reformierten römischen Liturgie wieder: Im Gegensatz
zum 400 Jahre alten lateinischen Tridentinischen Ritus, bei
dem der Priester mit dem Rücken zur Gemeinde stand, rückte
im heute gültigen Messritus die Gemeinde in den Mittelpunkt.
Damit änderte sich auch die Rolle des Priesters: Während er
zuvor als Hirte einer Herde von Untergebenen vorgestanden ist,
ist er nun "nur" der Leiter einer Gemeindeliturgie.
Traditionalisten:
Päpste als "Bastarde"
Diese Änderungen waren zahlreichen Traditionalisten ein Dorn
im Auge. Viele von ihnen lehnten als Reaktion auf das Zweite
Vatikanische Konzil alle Päpste der vergangenen 40 Jahre ab
und bezeichneten sie als illegitim und mitunter als
"Bastarde", wie der italienische Theologe Gianni
Gennari betont.
Der Streit
zwischen dem Vatikan und den Traditionalisten gipfelte im Jahr
1988 mit der Exkommunikation des französischen Erzbischofs
Marcel Lefebvre. Papst Johannes Paul II. hatte keine Wahl: Als
bewusste Konfrontation mit dem Vatikan hat Lefebvre vier
Gleichgesinnte zu Bischöfen geweiht. Was der Vatikan nicht
dulden kann, ist Ungehorsam gegenüber dem Heiligen Stuhl.
Die
Traditionalisten der Priesterbruderschaft St. Pius X. ließen
sich nicht beirren und bauten eine Parallel-Kirche auf. Nach
eigenen Angaben haben sie 500 Priester und 150.000 Gläubige,
vor allem in Frankreich und Brasilien.
"Ohrfeige
für Johannes Paul II."
Dass Papst Benedikt XVI. den vier Bischöfen, die damals von
Lefebvre geweiht worden sind, die Rückkehr erlaubt hat, ohne
dass sie sich von ihren Standpunkten distanziert haben, sorgt
kirchenintern für Unruhe. Der Pariser Kardinal Andre
Vingt-Trois sagte, er freue sich zwar, wenn eine Strafe
aufgehoben werde, man müsse sich aber vor Leuten hüten, die
sich anmaßen, zwischen "guter Tradition" und
"schlechter Tradition" unterscheiden zu können.
Der
Theologe Gianni Gennari bezeichnete die Entscheidung als
"Ohrfeige für Papst Johannes Paul II.", der die
vier Bischöfe exkommuniziert hatte. Die vier Traditionalisten
hätten keinerlei Reue gezeigt, was sonst eine Voraussetzung für
eine Rehabilitierung sei.
Der Mailänder
Theologe Vito Mancuso wiederum hofft auf eine Geste in
Richtung der progressiven Katholiken. Immerhin habe Josef
Ratzinger in seiner Zeit als Präfekt der Glaubenskongregation
in den 1980er und 1990er Jahren zahlreiche Linksabweichler mit
Strafmaßnahmen gemaßregelt.
Bernhard
Lichtenberger (DiePresse.com)
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